B2B E-Commerce: Individualität statt Anonymität

Personalisierung ist Mitarbeitern aus dem B2B-Sektor nicht unbekannt. Im Gegenteil: Geschäftsbeziehungen sind geprägt von persönlichem und hochgradig individuellem Austausch. Diese Qualität erwarten Kunden auch online. Damit ein personalisierter und nutzerfreundlicher Onlineshop gelingt, müssen die Bedürfnisse des Kunden genau unter die Lupe genommen werden.

09
November
 
2022
Matthias Steinforth

Vertrauen schaffen

Kundenbeziehungen im B2B bestehen häufig über mehrere Jahre. Vertrauen wurde über lange Zeit aufgebaut und durch das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse aufrechterhalten. Damit Kunden dieses Vertrauen auch über den Onlineshop vermittelt wird, muss hier eine ähnlich persönliche Stimmung aufkommen. Der Kunde muss sich gut aufgehoben fühlen. Und das gelingt nur, wenn Online-Inhalte personalisiert werden. Der Kunde sollte online genau das bekommen, was ihm auch bisher geboten wurde. Doch dies erfolgreich umzusetzen, geht mit einigen Herausforderungen einher. Nicht nur die speziellen Besonderheiten der B2B-Welt an sich müssen bedacht werden, sondern die Analyse eben dieser muss anfänglich umfassend erfolgen.

Individuelle Konditionen

Während der langen Kundenbeziehung wurden über Jahre sehr individuelle Preise, Staffelrabatte und andere Sonderkonditionen verhandelt, die auf Kundenebene im Warenwirtschaftssystem (ERP) angelegt sind. Daher gibt es selten komplett identische Preismodelle unter den Kunden. Um dem Kunden online die gleichen Konditionen zu bieten wie in einer persönlichen Verhandlung, sind starre Preislisten also fehl am Platz. Es muss möglich sein, für jeden Kunden die individuellen Preise aus dem ERP in den Onlineshop zu übertragen.

Doch nicht nur Informationen über Preise sind entscheidend. In der Industrie sind Produkte häufig nur begrenzt vorrätig oder werden eventuell erst nach der Bestellung produziert. Diese Informationen müssen dem Kunden über den Onlineshop entsprechend mitgeteilt werden. Ebenso reichen Angaben zu Farbe, Größe und Form nicht aus. Technische Industrieware im B2B kann mehr als hundert verschiedene Merkmale aufweisen, die der Kunde beim Kauf berücksichtigen muss. Verschiedene Produktvarianten, deren Eigenschaften und bei Bedarf auch eine individuelle Konfiguration des Produkts, müssen über die Stammdatenverwaltung eines ERP oder PIM bereitgestellt werden.

Auch Rechte und Rollen innerhalb der Firma des Geschäftskunden sind für die Umsetzung erfolgreicher Individualisierungs-Maßnahmen zu berücksichtigen. Im B2B-Bereich hat ein Unternehmen gleich mehrere Einkäufer und benötigt daher mehrere Benutzerkonten für den Onlineshop. Auch einzelne Niederlassungen und Abteilungen müssen in der Struktur eines Onlineshops abbildbar sein. In diesem Kontext gilt es außerdem zu beachten, dass es häufig unterschiedliche Berechtigungs- und Genehmigungsstufen gibt. Ein Mitarbeiter darf zum Beispiel nur bis zu einer bestimmten Budgetgrenze einkaufen. Dieser Einkauf muss dann vom jeweiligen Abteilungsleiter genehmigt werden.

Im Bereich des Kundenkontos gelten auch besondere Ansprüche: Es sollte eine Art „Info-Center“ geschaffen werden, das es dem Kunden ermöglicht aktuelle Bestellungen, Auftragsstatus, Auftragsverfolgung, Reklamationen, Rechnungen, Lieferscheine und weiteres einzusehen.

Bezüglich des Bestellprozesses gilt: Der B2B-Kunde geht nicht „shoppen“. Er stöbert nicht in verschiedenen Kategorien. Dafür gibt es kaum Zeit. Bestellungen müssen im B2B-Onlineshop daher direkt und zügig durchzuführen sein. Intelligente Suchen und Schnellbestellungen sind an dieser Stelle hilfreich. Über ein Fenster mit einfacher Struktur und Eingabefeldern, kann das Einkaufsprozedere unkompliziert abgewickelt werden.

Wenn Kunden online den gleichen Komfort erfahren sollen wie im Kontakt zu ihrem Kundenbetreuer, ist das Beschäftigen mit den vorhandenen Besonderheiten und Kundenanforderungen Pflicht. Authentische und individuelle Onlineshops können nur entstehen, wenn sie aus Kundenperspektive heraus geschaffen werden.

Prozesse vereinfachen

Die enge Kundenbindung im B2B kann genutzt werden: Jeder Vertriebsmitarbeiter hat seinen Kundenstamm und weiß, was sein Kunde besonders schätzt oder wie er am liebsten kommuniziert. Diese Informationen sind sehr wertvoll für die Umsetzung eines personalisierten Onlineshops und müssen vorab nicht mehr recherchiert werden. Aufgrund von bereits vorhandenen Daten lassen sich Angebote via Onlineshop exakt auf das bisherige Einkaufsverhalten abstimmen. Einem Kunden, der beispielsweise eine komplexe Industriemaschine einsetzt, werden bei der nächsten Bestellung somit passende Verschleiß- oder Ersatzteile präsentiert.

Individualisierung ist sinnvoll und notwendig. Es besteht aber auch das Risiko, Onlineshops durch zu stark personalisierte Inhalte kompliziert zu machen. Im Zuge von Personalisierungsmaßnahmen macht es deshalb Sinn, Abläufe und Unternehmensprozesse nochmal zu überprüfen. Ist es zum Beispiel möglich, Preisfindungsmodelle zu entwickeln, die etwas vereinfacht sind und trotzdem individuell genug bleiben? Oder: Sollten Produktdaten wirklich hinter einem Login versteckt sein? Es lohnt sich also nicht nur eine Analyse der speziellen B2B-Anforderungen, sondern auch eine der eigenen Sichtweisen. Oftmals werden Anforderungen zu sehr aus der Innensicht des Unternehmens formuliert und die konkreten Nutzeranforderungen nicht erfasst bzw. berücksichtigt. Durch eine Überprüfung eröffnet sich die Chance, Neukunden über vereinfachte und nutzerfreundliche Gegebenheiten zu gewinnen. Es gilt auszuloten, wie viel Individualität sinnvoll ist und ab welchem Punkt es vielleicht zu kompliziert wird.

Ganzheitlich denken!

Personalisierung bedeutet also vor allen Dingen Analyse und die Bereitschaft, Unternehmensprozesse zu hinterfragen. Eigene Firmenstrukturen sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Denn gut vernetzte ERP-, PIM- oder CRM-Systeme bringen nicht viel Mehrwert, wenn starres Abteilungsdenken herrscht. Vorlieben und Eigenschaften von Kunden lassen sich nicht über einen Algorithmus erkennen. Hier ist die langjährige Erfahrung der Kundenbetreuer gefragt. Nur, wenn Wissen unter Mitarbeitern und Fachabteilungen ausgetauscht wird, können authentische, individualisierte Inhalte entstehen. Offene Firmenstrukturen sollten dafür sorgen, dass Abteilungen eng zusammenarbeiten und sämtliche Aspekte der Personalisierung betrachten. Personalisierung ist eben keine Extra-Funktion, die man einfach On-Top implementiert. Personalisierung ist viel Arbeit.

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Matthias Steinforth, Mitgründer und Managing Partner der Digitalagentur kernpunkt.

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